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Vergleichende Archäologie römischer Alpen- und Donauländer

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Kultur der Raeter: Wissenschaftliche Regionalstudien mit modernsten Technologien

Während der jüngeren Eisenzeit von etwa 500 v. Chr. bis um Christi Geburt war der zentrale Alpenraum zwischen Osttirol und Unterengadin sowie zwischen dem süddeutschen Alpenrand und dem Trentino von einem Volk bewohnt, das in den antiken Quellen als Raeter bezeichnet wird. Mit den Raetern entsteht im ausgehenden 6. Jahrhundert v. Chr. erstmals eine gemeinsame Kultur beiderseits des Alpenhauptkammes. Als charakteristisch raetisch gelten eine reich verzierte Keramik, die Hausbauweise mit in den Hang eingetieften, häufig zweistöckigen Gebäuden, Brandopferplätze mit bronzenen Votivfiguren von Göttern oder Helden sowie Inschriften mit einem eigenen, dem Etruskischen verwandten Alphabet.

Seit der römischen Expansion nach Oberitalien im 1. Jahrhundert v. Chr. und besonders nach der Eroberung des Alpenraums verstärken sich die mediterranen Einflüsse. Ausgrabungen und Funde lassen den Beginn der römischen Zeit oft wie eine markante Zäsur wirken: Einheimische Siedlungen enden abrupt, die materielle Kultur der Raeter ist innerhalb kürzester Zeit archäologisch nicht mehr nachweisbar.

Schauplatz dieses Forschungsschwerpunktes zur jüngeren vorrömischen Eisenzeit im Alpenraum ist die größte eisenzeitliche Siedlung Nordtirols, Pfaffenhofen-Hörtenberg. Sie liegt im Telfer Becken im Tiroler Oberinntal, westlich von Innsbruck. Die Forschungen richten ihren Fokus hier auf Fragen nach Konstanz, Wandel und Bruch kultureller Erscheinungen während der Jahrzehnte um Christi Geburt.

Raetische Kultur: Ideale Forschungsvoraussetzungen in Pfaffenhofen-Hörtenberg

Seit der römischen Expansion nach Oberitalien im 1. Jahrhundert v. Chr. und besonders nach der Eroberung des Alpenraums verstärken sich die mediterranen Einflüsse, bis die raetische Kultur schließlich in der römischen aufgeht. Ob dieser vermeintliche Bruch im archäologischen Sachbestand aber der historischen Realität entspricht und es tatsächlich zu einem grund­legenden Bevölkerungswandel kommt, ist eine der zentralen Fragen der Eisenzeitforschung und wird in der Archäologie Süddeutschlands und der Alpenländer kontrovers diskutiert.

In Pfaffenhofen-Hörtenberg bietet sich die Gelegenheit, dies an einem dafür bestens geeigneten Platz zu beproben. Die hier bis zum Beginn der Akademie-Grabungen geborgenen Funde decken einen Zeitraum von mindestens 500 Jahren von der Späthallstattzeit bis in die jüngste rätische Phase ab. Außerdem kannte man vorher den zur Siedlung gehörigen Brandopferplatz auf dem benachbarten Trappeleacker, wo bereits österreichische Grabungen stattgefunden hatten. Die Ausgangssituation ist also ideal für den Schwerpunkt Frühzeit und das Vorhaben von 2012 bis 2025.

Magnetometer-Prospektion: Mit geophysikalischen Methoden geeignete Areale finden

Komplizierte, teils sehr tief reichende Schichtabfolgen sind kennzeichnend für die Archäologie von Siedlungen und sehr zeitaufwändig bei der Untersuchung. Die terrassenartig gegliederte Siedlung im Nordtiroler Pfaffenhofen ist fast zwei Hektar groß, eine vollständige Aufdeckung war bei dieser großen Fläche von vorneherein ausgeschlossen: Man musste sich also vorab für bestimmte Areale entscheiden, die besonders vielversprechend erschienen. Für solche vorausschauenden Maßnahmen bedient sich die Archäologie geophysikalischer Methoden.

Mit bestimmten Apparaten sind physikalische Unterschiede zwischen dem Erdreich und archäologischen Hinterlassenschaften wie Gruben und Mauerzügen messbar. Erfasst werden z. B. die Magnetik oder die Reaktion auf elektrische Impulse. Die gewonnenen Daten können in Pläne umgesetzt werden. Solche Messungen machen also unter der Erde Verborgenes sichtbar. Durch eine Magnetometer-Prospektion von Jörg Fassbinder (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege) konnten in Pfaffenhofen-Hörtenberg mehrere Hausgrundrisse identifiziert werden. Von diesen wurden einige als Grabungsobjekte ausgewählt, weil so die Siedlungsgeschichte des Platzes exemplarisch an einigen seiner Bauten erforscht werden kann.

Mit einem Airborne Laserscan Lage und Topographie einer Siedlung sichtbar machen

Die Messergebnisse und die späteren Grabungspläne können eingespeist werden in ein dreidimensionales digitales Geländemodell. 2010 beflog die Firma ArcTron das Areal und erstellte einen Airborne Laserscan. Dabei wird mithilfe eines Laserstrahls die Oberfläche wie bei einem Scan abgetastet. So ist es möglich, künstliche Terrassen und jede noch so geringe Bodenunebenheit sichtbar zu machen. Heutige Vegetation, wie Bäume und Sträucher, können rechnerisch entfernt werden. Lage und Topographie der Siedlung können so bestens nachvollzogen werden.

Die ergrabenen Häuser und Terrassen erzählen seit 2012 die bewegte Geschichte der eisenzeitlichen Siedlung. Diverse Bauphasen und Niederlegungen von Gebäuden nach verheerenden Schadensfeuern und Nachweise von Handwerk zum Beispiel durch Gewichte eines Webstuhls zeugen vom einstigen Leben vor Ort. Gewandspangen liefern Hinweise für eine Besiedlung des Areals bis zur römischen Eroberung im Jahre 15 v. Chr..

Vor Ort werden die Grabungen von Markus Wild (Grabungsfirma Dig It! Company) und Tamara Senfter (Grabungsfirma Talpa) gemeinsam mit einer Mannschaft aus Münchner und Innsbrucker Studierenden durchgeführt.